Phobos-Grunt: Mehr Spekulationen als Fakten um den Status der russischen Marsmission

Mittwoch, 16. November 2011

Spärlich und nicht sehr aussagekräftig sind die offiziellen Statements der russischen Verantwortlichen in Bezug auf den aktuellen Stand der Dinge bei PHOBOS-GRUNT, dessen Aufgabe es ist, Bodenproben vom Marsmond "Phobos" einzusammeln und zur Erde zu transportieren (geplante Heimkehr 2014).

Sehr weit ist der Satellit nach seinem erfolgreichen Start vor einer Woche bisher nicht gereist. Man ist sich mittlerweile einig, dass 2 notwendige Zündungen des Antriebs des Satelliten nicht stattgefunden haben. Die erste, um die Sonde in einen weit höheren Orbit zu befördern. Die zweite, um sie endgültig auf Kurs in Richtung Mars zu bringen. PHOBOS-GRUNT steckt seit wenigen Stunden nach dem Start in einer tiefen, erdnahen Umlaufbahn fest.

Der Satellit wird beobachtet, aber bisher haben die russischen Techniker keinen Kontakt mit ihm bestätigen können. Die russische Weltraumbehörde Roskosmos wird mittlerweile von der NASA und der ESA unterstützt, was zu einem wichtigen Teil in der Bereitstellung von Kommunikations- und anderen technischen Installationen zum Ausdruck kommt, aber da PHOBOS-GRUNT inklusive der vorgesehenen russischen Kommunikationsstationen dahingehend konzipiert werden, sich sehr weit weg von der Erde "miteinander zu unterhalten", gestaltet sich die Kontaktaufnahme sehr schwierig. Die Zeitspanne, in der diese momentan überhaupt nur möglich wäre, wird mit jeweils nur 3 - 7 Minuten pro Vorbeiflug angegeben.

  Damit sind die halbwegs glaubwürdigen Fakten eigentlich schon erschöpft. Alles weitere, was dieser Tage in verschiedenen Medien und Portalen zu lesen ist, fällt in den Bereich der Spekulation.

Wird der Satellit bei einem möglichen Wiedereintritt und Absturz komplett in der Athmosphaere vergluehen und verbrennen? Gilt dies auch für den hochgiftigen Treibstoff, von dem PHOBOS-GRUNT circa 10 Tonnen an Bord hatte und kaum etwas verbraucht wurde? Sollte der Satellit abgeschossen werden? Falls ja, wer sollte dies tun? (Täten es die Russen selbst, käme dies einem Eingestehen des eigenen Scheiterns gleich. Nicht auszudenken, wenn dann der Abschuss auch noch daneben gehen sollte. Andere Nationen könnten Bedenken haben, mehr vom Entwicklungsstand ihrer ASAT's aka Anti-Satelliten-Waffen preiszugeben, als ihnen lieb ist. Auch eine potenzielle Gefahr für die International Space Station ISS wird diskutiert.)

Um derlei Dinge dreht sich momentan ein großer Teil des internationalen Informationsaustausches in Internetforen etc. Was nicht verwundert, denn wo harte Fakten auf Sparflamme gekocht werden, blüht die Phantasie auf.

Momentan sorgt allerdings ein weiterer Fakt für Gesprächsstoff. Periodisch werden "mysteriöse" leichte Boosts beobachtet, die den Satelliten jeweils in einen etwas höheren Orbit transportieren. Eine spekulative aber durchaus logische Erklärung ist, dass die kleinen Korrekturtriebwerke (thrusters) regelmäßig aktiviert werden.

Die große Frage lautet: Warum tun sie das? Versucht PHOBOS-GRUNT, sich selbst zu retten?


Wie üblich ist von der russischen Seite nicht viel zu erfahren, wobei "nicht viel" wie eine gnadenlose Übertreibung klingt, wenn man bedenkt, dass sie die Boosts bisher noch nicht einmal offiziell bestätigt hat.

Noch eine der besten russischen Quellen ist Igor Lisov, Kolumnist der "News of Cosmonautics" bei Ria Novosti. Leider muss Igor sich oft damit begnügen, mit Informationen zu arbeiten, deren exakte Herkunft er nicht nennen darf.
Dementsprechend spricht Igor von "einer Quelle in der Weltraumindustrie", die erklärt habe, dass die Sonde ihren Orbit ab und zu selbst korrigiere.

Das sieht Dr. David Warmflash anders.
Dr. Warmflash ist der führende Wissenschaftler des US-Teams des Planetary Society's LIFExperiments , welches sich an Bord von PHOBOS-GRUNT befindet.

Dr. Warmflash stellt die Frage: "Korrigiert ihren Orbit? Bedeutet das, dass die Sonde weiß, wo sie sich befindet?" und antwortet selbst: "Wahrscheinlich nicht."

Eine eindeutige Erklärung hat auch Dr. Warmflash nicht parat, aber zumindest eine mögliche Ursache.
Roskosmos geht davon aus, dass GRUNT nach den nicht stattgefundenen Zündungen in "Safe Mode" umgeschaltet hat, in dem er schlichtweg auf Anweisungen wartet. Bisher hat Roskosmos nicht bestätigt, ob im "Safe Mode" Aktivitäten des Satelliten enthalten sind, die eine Selbstkorrektur der Umlaufbahn anhand einer Orientierung an der Sonne auslösen, um einen potenziellen Absturz zu verhindern oder hinauszuzögern. Aber es ist vorstellbar, dass solche Mechanismen existieren. Etwas schwieriger vorstellbar erscheint es uns, dass diese "Boosts" in die korrekte Richtung einfach nur auf irgendeiner Art von Glück beruhen.

Festzustellen bleibt der Umstand, dass die russischen Techniker mehr Zeit bekommen werden, um Kontakt mit PHOBOS-GRUNT aufzunehmen, sollten die Boosts kontinuierlich weiter erfolgen. Und wenn Kontakt aufgenommen werden kann, ist alles möglich. Denn noch scheint selbst eine etwas verspätete, aber erfolgreiche Mission nicht ganz undenkbar zu sein.

Bleiben die Kommunikationsversuche erfolglos, wird PHOBOS-GRUNT irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft unkontrolliert zur Erde zurückkehren.

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