Krieg der Wetterkönige - Haben die US-Wintersturmnamen des Weather Channels eine Chance?

Donnerstag, 8. November 2012

Vorwort: Mit der in diesem Artikel verwendeten Abkürzung "WC" beziehen wir uns ohne jeglichen Hintergedanken auf den "Weather Channel".

Erstmals in der Geschichte der Wettervorhersage werden in den USA Namen für Winterstürme vergeben. Diese Initiative wurde vom Weather Channel angeregt, entwickelt und in die Realität getragen; die beiden aktuellen Winterstürme in den Vereinigten Staaten von Amerika werden vom WC ab sofort als ATHENA und BRUTUS bezeichnet.

Credit: The Weather Channel

Die Begründung des Weather Channels für diese Maßnahme klingt nobel und einleuchtend, erscheint es doch logisch, dass Otto (Normalverbraucher) einem Namen mehr Beachtung schenkt und leichter folgen kann. Es sollte also kaum jemand bezweifeln, dass die Vergabe von Sturmnamen im Winter - ähnlich wie für Tropische Stürme in der Hurrikansaison - die Kommunikation auch tatsächlich verbessern kann.

Die Sache hat nur einen Haken. Es handelt sich hier nämlich um einen Alleingang des Weather Channels.
Einer Institution, die von der NBC betrieben und unterhalten wird. Alle nicht-NBC-angeschlossenen US-Institute, egal ob nun staatlich oder privat, weigern sich strikt, die Namen des WCs zur Anwendung zu bringen. Der in Regierungsauftrag arbeitende National Weather Service zum Beispiel weist sogar extra darauf hin:

Credit: NWS
Über die Gründe der Weigerung kann man spekulieren. Genannt werden fehlende Kriterien und zweifelhafte Methodologie, der NWS kann sich auf seine strikten Vorschriften berufen, aber in Wirklichkeit dürfte doch eine gute Portion Konkurrenzdenken dahinter stecken. "Ein Ego-Trip in dieser Dimension? - Nicht mit uns!"

Somit haben es die Namen - zumindest bis zu diesem Moment - schwer, Anklang zu finden. Kein Wunder, wenn dem NWS folgend die Nachrichtenagentur AP und News-Giganten wie CNN, FOX, CBS und ABC nicht mitziehen.

In diesem Zusammenhang finden wir es - vorsichtig gesagt - "unterhaltsam", dass viele große - groß in Bezug auf Leserzahlen, nicht zwangsläufig in Sachen Qualität der Sparte "Internationales Wetter" - deutschsprachige Medien die Namen des WCs übernommen haben. Der Grund liegt auf der Hand: Viele Ihrer heimatlichen Medien kaufen ihre Nachrichten bei Reuters. Als so offiziell korrekt scheinen die Reuters-Meldungen heutzutage zu gelten, dass selbst der eigentliche Konkurrent DPA (Deutsche Presseagentur) die Namen BRUTUS und ATHENA benutzt. Dies spricht allerdings einerseits auch für die guten Gründe des Weather Channels, nämlich einen wesentlich verbesserten identifizierenden Charakter eines Sturms durch die Verleihung eines Namens inklusive der verkaufsfördernden Wirkung für die Schlagzeile .... und andererseits für Ahnungslosigkeit. Es handelt sich nämlich um genau diejenigen Medien, die zum Beispiel im Fall der Tropenstürme nicht in der Lage sind, über den Tellerrand des NHC und der Agenturmeldungen hinaus zu schauen und somit im ersten Fall aufgrund fehlender eigener Fachleute stark limitiert und im zweiten Fall schlichtweg wörtlich kopierend berichten. Jegliche andere Quelle, und sei sie noch so kompetent, wird ignoriert. Positive Ausnahmen bestätigen die Regel.
Schlimm wird es natürlich, wenn ein unbedachter Redakteur ohne Wissen um die Materie versucht, die Agenturmeldung so zu verkleiden, dass eine Sensationsmeldung daraus wird. Allzu oft kommt bei diesem gewagten Spiel mit dem zur Verfügung stehenden Vokabular nicht nur eine Verfälschung der Tatsachen heraus, sondern richtige Fehlinformation.  

"Keinen Anklang finden" ist dabei ein recht harmloser Ausdruck, denn allein die Kommentare beim WC selbst zeigen, wie genervt die Leute in Wirklichkeit sind. Das hat in erster Linie zwei Ursachen. Jeder einzelne unserer WC-Kontakte ist ein toller, netter Mensch. Aber scheinbar liegt aktuell die Anweisung vor, die Wintersturmnamen aggressiv zu pushen. Was wiederum viele User zu der sinngemäßen Aussage bewegt: "Die kümmern sich mehr um die Namen als darum, was der Sturm anrichtet." So ganz faktisch  korrekt erscheint uns diese Sicht der Dinge zwar nicht, aber sie ist zweifellos nicht aus der Luft gegriffen.

Desweiteren leidet der Weather Channel geradezu unter obligatorischer Werbung für die Programme seines Besitzers. Pop-Ups, langsame Internetseiten, Spam, 2-3 Pflichtseiten bei Apps, bevor man ans eigentliche Ziel gelangt. Die oftmals hämische, sarkastische und vernichtende Reaktion in der Bevölkerung ist also mehr als verständlich.

Lassen Sie sich übrigens nicht davon täuschen, dass Sie in den Suchmaschinen trotzdem Millionen von Artikeln zum Thema "ATHENE" oder "BRUTUS" finden. Dies sind vergleichsweise kleine Zahlen. Ein wirklicher Maßstab wäre zum Beispiel ein Platz unter den Top-Ten der US-Twitter-Trending-Topics.

Alles zusammen genommen sieht es momentan nicht danach aus, als hätte die eigentlich sehr gute Idee eine Zukunft. Nicht in den USA. Es wird sich zeigen, ob der Weather Channel Sturheit an den Tag legt und zumindest erst einmal den ersten Winter durchzuhalten versucht, ob er vielleicht sogar auf die Akzeptanz im Ausland setzt oder ob er die Namensgebung in dieser Form schnell als Fehler ansieht und sie aufgibt.

Übrigens: So sehr unterscheidet sich auch die grundlegende Situation in Europa nicht von der aktuellen in den USA. Die von der Freien Universität Berlin vergebenen Namen für Sturmtiefs werden bei weitem nicht von allen betroffenen Ländern anerkannt oder benutzt. In allen Fällen ist der Leidtragende letztendlich der zu Warnende. Auch wenn "Leid tragend" etwas übertrieben klingt, sind wir doch überzeugt davon, dass durch eine einheitlich geregelte Namensgebung eine wesentlich übersichtlichere und besser zu verfolgende Berichterstattung möglich machen würde.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Namen der Hoch- und Tiefdruckgebiete welche in Deutschland von der FU in Berlin benannt werden kan man übrigens für 199 .- € kaufen und selbst Bestimmen. Ein passendes Weihnachtsgeschenk für die Ehefrau, Freundin oder das geliebte Töchterchen. Auch ein pfiffiges Geschäftsmodell. Wer, warum und wie Stürme benannt werden spielt aber doch wirklich eine untergeordnete Rolle. Sturm bleibt Sturm egal ob die Franzosen ihn nun Claire nennen, die Deutschen Elise und die Briten Emma. Ich finde das deswegen die Leute einem Sturm nicht weniger oder mehr beachtung schenken werden. Twitter ist aber nun wirklich kein Maßstab für Relevanz von Wettergeschehen, finde ich. Und die Trending Topics sind meistens ein Top Ten der Befindlichkeiten pubertierender Teenies.

Hurrikansaison hat gesagt…

Gesunder Widerspruchsgeist. ;-)
Das ist positiv gemeint. Wir würden uns über etwas mehr Diskussion unter unseren Lesern freuen. Noch mehr, wenn wir selbst die Zeit finden, daran teilzunehmen.

Zum Thema.

In beiden zentralen Punkten widersprechen dem Widerspruch.
Es geht in diesem Artikel nicht darum, welche Namen, sondern darum, dass bzw. ob überhaupt Namen für Winterstürme in den USA vergeben werden.
Dass eine ganz andere Art der Kommunikation, Identifizierung und Verfolgung möglich ist, wenn man eben z. Bsp. von "ATHENA" anstatt dem "Nor'easter, der sich gerade bei New York befindet" (am nächsten Tag dann dem "Nor'easter, der gestern New York besuchte und heute in New England anklopft" ..... wir überspitzen etwas, natürlich würde auch "Nor'easter im Nordosten der USA" ausreichen), kann doch kaum angezweifelt werden. Nicht ohne Grund hat man die Namen benutzende Handhabe bei Tropischen Stürmen - übrigens als Weiterentwicklung einer numerischen Identifizierung - oder dort, wo man einen solchen Namen für eine gewisse Summe selbst bestimmen (nicht kaufen) kann, eingeführt und fährt gut damit.
Außerdem haben wir (aus Erfahrung, und nicht etwa, weil uns dies jemand beigebracht hätte) gelernt, dass, wenn bei Naturereignissen ein bestimmter Vertreter einer bestimmten Untergruppe einen ganz "persönlichen" Namen verliehen bekommt, auch seine Bedeutung oder sein "Ansehen" oder seine Wichtigkeit in den Augen der Bevölkerung stark steigt.

Wir bleiben also dabei: Der Versuch des Weather Channels an sich ist eine gute Sache. Es ist aber zu befürchten, dass ein solches Unterfangen nur dann US-weit (im Sinne der zu Warnenden) wirklich erfolgreich sein kann, wenn es ganz offiziell vom NWS geplant, vorbereitet und umgesetzt wird. Immerhin: Vielleicht veranlasst diese Aktion des WCs ja die staatlichen Verantwortlichen in den USA, ihre doch recht bürokratisch geknebelten und limitierten Behörden in dieser Hinsicht aktiv(er) werden zu lassen. Einiges an Erfahrungen wird man auf jeden Fall gerade zusehenderweise sammeln können.

Dann ist da noch Punkt Nummer 2, das Thema Twitter.
Wie definieren Sie das Wort "Relevanz"?
Uns geht es um den Grad der Bekanntheit.
Sie haben mit den Teenies sicherlich Recht, was einen TEIL der 10 Trending Topics anbelangt (oft die ersten Plätze ... "8 Gründe, warum ich meinen Ex nicht an den Zoo verkauft habe" ), aber unterschätzen Sie nicht das, was danach kommt. Dort geht es bei weitem nicht nur um Sport oder Musik oder Kino. Zumindest bei den US-Trending Topics schafft es jedes größere Naturereignis in die Top Ten.
Wissen Sie um die Bedeutung, die diese Top Ten als Werkzeug und Basis für Werbefirmen, Umfrageinstitute und viele andere darstellen? Und warum das so ist? Die in größerem Volumen als anderswo erhältlichen Daten hinsichtlich der Kombination aus Interesse in der Bevölkerung an den und Bekanntheitsgrad der trendenden Personen oder Ereignisse in der Bevölkerung ist es, die die Twitter Trending Topics für viele auch kommerziell so wertvoll macht.
Und gestern Vormittag um 10:31 (Ortszeit) in den USA lag "#noreaster" auf Platz 6 und "#snow" auf Platz 10. Von "#athena" weit und breit nichts zu sehen: Momentaufnahme

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